Probieren geht über studieren

Probieren geht über studieren

„Probieren geht über studieren“, sagte meine Oma immer, und meinte damit, dass man lieber etwas ausprobieren sollte, als rein theoretisch darüber zu entscheiden. Leider sterben die guten alten Redensarten mitsamt den transportierten Weisheiten aus, und so wollen heute alle studieren statt probieren, das heißt, sie wollen vom heimischen Computer aus über ihr künftiges Leben entscheiden.

Kommen Sie mir jetzt nicht mit Corona, der Trend, den ich meine, ist schon älter. In meiner Beratung höre ich viel von Traumberufen, die zu erreichen das Allergrößte wäre. Aber wenn ich einem erträumten Ornithologen zu einem Engagement beim NABU rate oder einer erträumten Archäologin ein Praktikum an einer Ausgrabungsstätte nahelege, sind sie nicht einmal bereit, eine Urlaubswoche dafür einzusetzen. Nein, in den Ferien wolle man sich ja erholen. Könnte man nicht vielleicht einen Test machen, der die Berufswahl bestätigt?

Welcher Test vermag denn wohl die Erfahrung einer Vogelzählung in der Urdenbacher Kämpe zu vermitteln, oder das Gefühl, gerade ein echtes römisches Relikt aus dem rheinischen Sandboden geholt zu haben?

Dass sich das Ausprobieren lohnt, beweist diese Erfolgsgeschichte: Eine Frau, Mitte Dreißig und mehr als ein Dutzend Jahre in einem ungeliebten Beruf, träumte vom eigenen Café. Sie begann mit einem Konditor-Workshop, war so begeistert, dass sie ihren Jahresurlaub in der Konditorei verbrachte, absolvierte die Ausbildung mit Bravour und hat ihren Traum verwirklicht. Ob das geklappt hätte, wenn sie die tollsten Tortenrezepte nur gegoogelt hätte?

Viele Schulabgänger dieses Jahres wollen sich noch nicht festlegen und auch wegen der unklaren Bedingungen nicht sofort ein Studium beginnen.

Da bietet sich ein Freiwilligendienst an, für den es von Kultur bis Natur noch jede Menge Stellen gibt. Wie dran kommen? Man muss es nur probieren.

Comments are closed.